(Macht)Missbrauch in  der katholischen Kirche:  Aufarbeitung, Verantwortung und Reform – Taten sagen mehr als Worte.

(Macht)Missbrauch in der katholischen Kirche: Aufarbeitung, Verantwortung und Reform – Taten sagen mehr als Worte.

Als Katholik und Politiker sehe ich mich mit den schockierenden Ergebnissen einer Pilotstudie konfrontiert, die den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in der Schweiz seit den 1950er Jahren bis heute untersucht hat. Diese Enthüllungen treffen mich zutiefst und erfordern eine entschlossene Reaktion sowohl von der Kirche als auch von der Politik.

Ausgangslage
Die Veröffentlichung des Berichts zur Pilotstudie über den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in der Schweiz hat mich zutiefst erschüttert. Als Katholik finde ich es unerträglich, dass solche abscheulichen Taten innerhalb der Kirche über Jahrzehnte hinweg ignoriert, verschwiegen und bagatellisiert wurden. Die Schockwellen dieses Berichts haben mich als erstes als Katholik getroffen und mich zugleich gefordert, wie wir als Politiker in der Verantwortung gegenüber den Bürger:innen und im Respekt gegenüber den Opfern reagieren müssen.

Komplexes System
Die Tatsache, dass diese Vorfälle bis in die Gegenwart reichen und viele amtierende Bischöfe darin verwickelt sind, ist besonders alarmierend. Es ist keine Entschuldigung, dass diese Taten in der Vergangenheit begangen wurden, es ist umso erschreckender, dass sie bis heute fortdauern. Als Katholik versuche ich zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, ohne dabei die Taten selbst zu rechtfertigen.

Das ist eine Frage von beträchtlicher Komplexität. Einerseits existiert innerhalb der Kirche ein kirchliches Strafrecht, das grundsätzliche Regelungen für den Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs innerhalb der Kirche vorsieht und die Bischöfe zur Handlung verpflichten würde. Gemäss der vorliegenden Studie kam das kirchliche Strafrecht im gesamten Verlauf des 20. Jahrhunderts praktisch nie zur Anwendung. In einigen Fällen wurde sogar ausdrücklich darauf verzichtet, ein kirchliches Strafverfahren einzuleiten, obwohl dies vorgesehen war. Im Grunde handelten alle Beteiligten in der Schweizer Kirche in ähnlicher Weise.

Auch die Macht einer etablierten Organisationsstruktur darf nicht unterschätzt werden, die nach langjährigen und festen Traditionen funktioniert. Für diejenigen Personen, die innerhalb dieser Struktur und Kultur agieren und darin aufgewachsen sind, gab es zunächst keinen Anreiz, Dinge in Frage zu stellen.

Klare Verantwortung als Politiker
Als Politiker sehe ich uns gegenüber den Bürger:innen und insbesondere gegenüber den Steuerzahlenden in der Verantwortung. Es ist nicht die Ausgabe des Staates die Kirche umzustrukturieren und ihr vorzuschreiben, wie diese zu funktionieren hat. Wir können als Politik das aktuelle System nicht akzeptieren und müssen die Kirche entschieden dazu auffordern, gegenüber den staatliche Institutionen eindeutig darzulegen, wie Sie Ihr System so anpasst, dass die vergangene Missbrauchsfällen aufgearbeitet werden können und es zu keinen neuen Missbrauchsfällen kommen kann.

Die duale Struktur in der Schweiz ist eine Besonderheit. Die Kantone haben nicht die römisch-katholische Kirche anerkannt, sondern haben öffentlich-rechtliche Körperschaften, die Landeskirchen, erschaffen, welche auch die Steuergelder erhalten, die Gelder verwalten und für die Kontrollmechanismen verantwortlich sind.

Die Rolle der staatskirchenrechtlichen Organe ist laut der Studie noch unklar, und der Staat selbst muss seiner Verantwortung gerecht werden. Den Kanton Bern trifft eine politische und historische Verantwortung. Die Beschuldigten waren im Zeitpunkt der vorgeworfenen Taten Staatsangestellte

Die staatskirchenrechtlichen Körperschaften und die Kirchgemeinden tragen eine erhebliche Mitverantwortung beim Vertuschen und Verschweigen von Missbrauchsfällen. Wir als Politiker müssen von den Kantonalkirchen und der Kirche selbst klar fordern, dass Sie angemessene Massnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass solche Vorfälle nie wieder auftreten. Dies erfordert die Zusammenarbeit von staatlichen und kirchlichen Akteuren.

Die Schweizer Bischöfe müssen jetzt zeigen, dass sie die Ernsthaftigkeit dieser Situation verstehen und entschlossen handeln. Die vorgeschlagenen Massnahmen zur Verhinderung von Missbrauch müssen umgesetzt werden, und es muss eine unabhängige Meldestelle mit entsprechenden Befugnissen eingerichtet werden. Es gibt bereits Kirchgemeinden und Kantonalkirchen, die umfassende Konzepte zur Prävention entwickelt haben, die als Vorbilder dienen können.

Ich fordere, dass die beschuldigten Bischöfe ihr Amt vorläufig niederlegen, bis die Sachverhalte eindeutig geklärt sind. Dies ist der Beginn eines langwierigen Prozesses der Aufarbeitung und Offenlegung. Die Kirche muss nicht nur ihre Fehler eingestehen und Präventionsmassnahmen ergreifen, sondern auch ihre Strukturen überdenken und reformieren. Dies müssen wir als Politiker in der Verantwortung gegenüber den Bürger:innen klar fordern.
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